Hallo Nina,
du hast eine Flugreise mit der Fluggesellschaft Easyjet gebucht und musstest leider nach der Ankunft am Heimatflughafen feststellen, dass dein Gepäck nicht auf dem Gepäckband war. Daher gingst du zunächst davon aus, dass dein Gepäck verloren wurde. Nach 3 Tagen wurde dein Gepäck nach Hause geliefert. Leider entsprach es jedoch nicht mehr dem ursprünglichen Zustand, sondern wurde beschädigt. Den Schaden hast du angezeigt, jedoch ist deine Reklamation nach 8 Tagen leider nicht fristgerecht eingetroffen. Du fragst dich nun, wie du vorgehen sollst.
I. Gesetzliche Grundlage
Grundsätzlich haften Fluggesellschaften für Schäden, die durch Verlust, Zerstörung, Beschädigung und Verspätung von Gepäck entstehen. Diese Haftung besteht immer dann, wenn sich das Gepäck zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses in der Obhut des ausführenden Luftfahrtunternehmens befunden hat. Zur Anwendung kommt in solchen Fällen das Montrealer Übereinkommen(MÜ).
II. Abgrenzung Gepäckverlust/Gepäckverspätung/Gepäckbeschädigung
Es muss dabei nach der jeweiligen Schadensart unterschieden werden. So divergieren beispielsweise die Fristbestimmungen bei Verlust, Verspätung oder Beschädigung des Gepäcks.
1. Gepäckverlust
Du nahmst zunächst an, dass dein Gepäck verloren gegangen sei. Ein Verlust des Frachtgutes ist gegeben, wenn es untergegangen, unauffindbar oder aus sonstigen tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen vom Frachtführer auf absehbare Zeit nicht an den berechtigten Empfänger ausgeliefert werden kann, der Frachtführer also die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Gut verloren hat. Im Fall eines solchen Gepäckverlustes ist Art. 17 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens einschlägig. Da du dein Gepäck wieder erlangt hast, ist ein Gepäckverlust hier zu verneinen.
2. Gepäckverspätung
Du hast dein Gepäck jedoch erst 3 Tage später erhalten, sodass eine Gepäckverspätung anzunehmen ist. Bei einer Gepäckverspätung besteht gemäß Art. 19 des Montrealer Übereinkommens ein Anspruch auf Erstattung von Schäden, die kausal mit der Verspätung zusammenhängen. Dazu gehören typischerweise Ersatzkäufe für Sachen, die sich im Gepäck befinden und die der Fluggast sofort beziehungsweise täglich braucht. Wenn das Gepäck verspätet ankommt, dürfen betroffene Passagiere allgemeinhin Notkäufe tätigen — allerdings sollte sich vorher erkundigt werden, was die Airline unter „notwendigen Gütern“ versteht. Ob Zahnbürste oder Unterhose, es sollten immer die Rechnungen der Noteinkäufe aufbewahrt werden, um Ausgaben dokumentieren zu können. Häufig zahlen die Unternehmen jedoch Standardtagessätze: Alle betroffenen Passagiere erhalten in diesem Fall pro Tag eine bestimmte Summe, und zwar bis zu einer maximalen Anzahl an Tagen. Diese Entschädigungssumme sehen die Airlines dann als endgültig an, unabhängig vom tatsächlichen Schaden. Da du auf dem Rückflug von der Gepäckverspätung betroffen w wirst du wohl geringere Geldzahlungen fordern können, als jemand der an seinem Urlaubsort auf sein Gepäck warten musste. Es könnte sogar sein, dass sich die Airline prinzipiell weigert eine Entschädigung zu zahlen, da dein Zielflughafen gleichzeitig dein Wohnort ist. Ich bin jedoch nicht der Meinung, dass eine solche Weigerung rechtens ist, da du wahrscheinlich auch du Dinge nachkaufen musstest, welche du sofort brauchtest. Solche Ersatzkäufe könntest du somit gemäß Art. 19 MÜ geltend machen. Dem kann sich die Airline dann nur entziehen, wenn sie nachweist, dass sie und ihre Leute alle Maßnahmen getroffen haben, um einen Verspätungsschaden abzuwenden oder es nicht möglich war solche Maßnahmen abzuwenden.
3. Gepäckbeschädigung
Des Weiteren wurde dein Gepäck auch beschädigt. Dies könnte Ansprüche gemäß Art. 17 Abs. 2 MÜ begründen. Demnach hat das ausführende Luftfahrtunternehmen den Schaden zu ersetzen, welcher entstanden ist, während sich das Gepäck in dessen Obhut befunden hat. Beachtenswert ist jedoch, dass sich die Fluggesellschaft der Haftung gemäß Art. 17 Abs. 2 MÜ entziehen kann. Demnach ist die Haftung in solchen Fällen ausgeschlossen, in denen der Schaden auf die Eigenart des Gepäcks zurückzuführen ist. Bezieht man dies nun konkret auf einen Koffer wird klar, dass dieser vorrangig dem Schutz des jeweiligen Inhalts vor Schmutz und Beschädigung dient. Es muss daher immer mit gewissen reisebedingten Gebrauchsspuren am Gepäck gerechnet werden. Solche Schäden sind dann nicht zu ersetzen. Beispielhaft dafür sind kleine Kratzer am Koffer die naturgemäß durch den Gebrauch auftreten können. Anders ist es jedoch, wenn die Schäden über die normale Beanspruchung hinausgehen. Dann müssen diese vom Luftfrachtführer ersetzt werden. Fraglich ist, welchen Umfang die Schäden am Gepäckstück aufweisen müssen, um über eine normale Inanspruchnahme hinauszugehen. Hier gibt es leider keine allseits anwendbare Faustformel. Vielmehr ist dies einzelfallabhängig und dann vom jeweiligen Gericht zu entscheiden.
Folgendes Urteil ist besonders interessant:
LG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2011, Az. 22 S 270/10 (auch ganz einfach zu finden, wenn Du bei Google eingibst: " LG Düsseldorf 22 S 270/10 reise-recht-wiki.de")
Hier ging es um einen Kofferschaden. In diesem Fall war die Hartschale des Koffers eingedellt und ein Rad abgebrochen. Das Gericht verurteilte die Fluggesellschaft zur Zahlung eines Schadensersatzes, da es der Ansicht war, dass die Schäden über eine normale Beanspruchung hinausgingen.
Bezüglich der Beschädigung hast du keine genauen Angaben gemacht, so dass ich in deinem Fall einfach davon ausgehe, dass die Schäden über das normale Maß der Beanspruchung hinausgehen.
Fortsetzung folgt im nächsten Post...