Lieber Fragesteller,
Sie haben bereits im September eine Reise in die Türkei gebucht. Die An- und Abreise sollte mit der Airline Sun Express erfolgen. Nun wurden Sie darüber benachrichtigt, dass der Hinflug nicht wie geplant um 11:30 Uhr stattfindet, sondern auf 18:45 Uhr verschoben wurde. Da Sie mit 3 kleinen Kindern reisen, legten Sie bei der Buchung viel Wert auf einen Direktflug mit guten Flugzeiten. Deshalb nahmen Sie auch einen etwas höheren Reisepreis in Kauf. Wegen der Änderungen der Flugzeiten kommen Sie erst um 23.00 Uhr am Zielflughafen an. Bis Sie das Hotel erreichen, wird es nach Mitternacht sein. Sie fragen sich nun, ob und wie sie gegen die Flugzeitenänderungen vorgehen können.
Auf Grund der Tatsache, dass Sie eine Reise inklusive Flügen, Hotel und Transfer gebucht haben, gehe ich davon aus, dass hier eine Pauschalreise vorliegt und somit das Reisevertragsrecht anzuwenden ist. Gegenstand des Reisevertrages ist die Reise, die durch § 651 a I als 'Gesamtheit von Reiseleistungen' definiert wird. Gemeint ist damit die sogenannte Pauschalreise des modernen Tourismus, die aus einem 'Leistungspaket' zu bestehen pflegt. Es handelt sich um mindestens zwei Reiseleistungen, wobei keine dieser Leistungen nur untergeordneten Charakter haben darf. Die von Ihnen gebuchten Leistungen entsprechen dieser Definition, sodass Sie einen Anspruch aus §§ 651 a-m BGB haben könnten. Dies setzt weiterhin voraus, dass ein Reisemangel vorliegt. Ein Reisemangel wird bejaht, wenn die Ist- von der Sollbeschaffenheit abweicht und der Wert oder die Tauglichkeit der Reise zum gewöhnlichen oder vertraglich vorgesehenen Nutzen beeinträchtigt wird. Dies ist anzunehmen, wenn das Ereignis nicht zumutbar ist.
Vgl. LG Hannover, Urteil vom 13.03.2012, Az. 18 O 79/11 (ganz einfach zu finden, wenn Sie bei Google eingeben: " LG Hannover 18 O 79/11 reise-recht-wiki.de")
Hier hat das Gericht entschieden, dass geringfügige Verschiebungen der Flugzeiten noch keinen Reisemangel darstellen, sondern nur eine Unannehmlichkeit, sofern sie zumutbar sind. Eine Flugzeitenverschiebeung von 9 Stunden könnte das Maß einer Unannehmlichkeit übersteigen. Dies setzt voraus, dass es sich bei der Änderung der Flugzeiten um eine erhebliche Änderung wesentlicher Reiseleistungen handelt.
Als Beispiel für die Unzumutbarkeit lässt sich die erhebliche Störung der Nachtruhe anführen.
Vgl. AG Düsseldorf Urteil vom 14.10. 2008 Az. 232 C 8790/08 (das Urteil kann bei reise-recht-wiki im Volltext gelesen werden einfach AG Düsseldorf 232 C 8790/08 eingeben)
In diesem Fall wurde der Rückflug bei einer Pauschalreise von 17:30 Uhr auf 5:10 Uhr vorverlegt. Hier bekamen die Reisenden eine Reispreisminderung zu gesprochen, allerdings nur von 40 Prozent "des anteiligen Reisepreises für den letzten Urlaubstag" Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass den Pauschaltouristen eine Reisepreisminderung zusteht, weil durch den frühen Abflug um 5:10 Uhr die Nachtruhe der Reisende gestört war.
Die Störung der Nachtruhe stellt somit einen Reisemangel dar. Unerheblich ist im Zuge dessen, ob die Nachtruhe durch einen besonders frühen Abflug oder eine besonders späte Ankunft gestört wird. Da Sie erst nach Mitternacht im Hotel ankommen werden, würde ich in ihrem Fall einen Reisemangel bejahen. Ich bin daher der Meinung, dass Sie Ansprüche aus dem Reisevertragsrecht, gegen den Reiseveranstalter, geltend machen könnten..
Die Besonderheit einer Pauschalreise ist, dass Sie nach dem Reisevertragsrecht Ansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend machen können. Zudem kommen aber noch zusätzlich Ansprüche gegen die ausführende Fluggesellschaft nach der Fluggastrechte Verordnung in Betracht, falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.
2. Zusätzliche Ansprüche gegen die Fluggesellschaft
Da Sie nicht unter 2 Wochen vor Abflug von der Änderung informiert wurden, scheidet ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 aus. Des Weiteren drängt sich mit auch keine weitere Anspruchsgrundlage der VO auf, aus welche Sie einen Zahlungsanspruch erhalten können. Vielmehr tendiert die allgemein Rechtsprechung dazu eine Flugzeitenänderung von 3 Stunden als zumutbar anzusehen. Es bleibt Ihnen jedoch meiner Ansicht nach die Wahl zwischen folgenden Möglichkeiten:
• volle Erstattung des Ticketpreises innerhalb von sieben Tagen oder
• einer alternativen Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
• einer alternative Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt, wenn Plätze verfügbar sind, oder
• einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt.
3. Fazit
Die Flugzeitenänderung kann meiner Meinung nach einen Reisemangel darstellen, sodass Sie einen Anspruch aus dem Reisevertragsrecht geltend machen können. Zu beachten ist in diesem Sinne jedoch, dass ein Reisemangel immer einzefallabhängig zu prüfen ist. Es kann daher gut sein, dass ein Gericht zu einer anderen Entscheidung gelangen könnte. Alternativ oder kumulativ könnten zudem die genannten Möglichkeiten nach der Fluggastrechte Verordnung geltend gemacht werden. Meine Erläuterungen stellen lediglich meine persönliche Meinung dar. Der Gang zum Rechtsanwalt ist, vor allem in komplizierteren Fällen, stets zu empfehlen.